Sebastian Frost ist ein Reisender. Als Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes kommt er sehr viel herum und auch seine Freizeit verbringt er mit Reisen in die entlegensten Gegenden unserer Erde.
Vor kurzem stellte er seinen 36-minütigen Kurzfilm fertig, in dem er über das Leben in der kältesten Stadt der Welt berichtet. Von Yakutsk nach Oymyakon im Winter Eine Reise, die für ihn wohl niemals in Vergessenheit geraten wird.
Anne: Hallo Sebastian! Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst!
Sebastian: Hallo Anne, das tu ich doch gerne.
Anne: Sebastian Frost Ist das ein Pseudonym oder Künstlername? Wie kam es dazu? Was bedeutet er? Möchtest Du uns Deinen echten Namen verraten?
Sebastian: Sebastian ist natürlich mein realer Vorname, bei Frost handelt es sich um einen Fakenamen, da ich nicht so sehr viel von meiner Privatsphäre preisgeben möchte. Da ich jedoch häufiger in Kontakt mit Medien, wie z.B. Wetter- und Fotoseiten stehe, sickert mein realer Nachname doch ab und an mal durch. Mein Nachname ist Balders, er stammt aus dem norddeutschen Raum. Ich habe Frost vor einigen Jahren gewählt, da ich ein Winterkind bin. Nicht umsonst hat es mich vor wenigen Wochen in die Kälte nach Sibirien gezogen.
Anne: Du kommst gerade von Deinem Sibirien-/Yakutien-Tripp zurück. Wie lange warst Du unterwegs?
Sebastian: Ich war insgesamt 15 Tage unterwegs.
Anne: Wie hast Du Dich dort fortbewegt? Mit dem Auto? Zu Fuß?
Sebastian: in Yakutsk kann man wie überall in Russland günstig Taxi fahren. Für 500 km habe ich circa 30 gezahlt. Zu Fuß kann man die gigantischen Entfernungen in Sibirien nicht zurücklegen, es sei denn man hat mehrere Monate Urlaub und viel viel Motivation und Kraft ;-)
Anne: In Deinem Kurzfilm berichtest Du von Temperaturen um -50 Grad Celsius. Dagegen muss einem unser derzeitiges Wetter ja richtig frühlingshaft vorkommen. Wie schützt man sich am besten vor der Kälte?
Sebastian: Wichtig bei solch extremen Temperaturen ist und bleibt das berühmte Zwiebelprinzip. Sprich: Mehrere dünne Schichten halten besser warm als eine dicke Schicht. Ich trug 3 Paar Socken, gefütterte Winterstiefel, T-Shirt, Pullover, eine dicke Fleecejacke und darüber noch eine dicke Winterjacke. Anders würde man die extreme Kälte nicht aushalten.
Anne: Wie kam es zu Deiner Reise nach Yakutien und Sibirien?
Sebastian: Da ich beruflich mit dem Wetter zu tun habe, weiß ich genau in welchen Gegenden der Erde es heiß oder kalt ist. Da mich Kälte und Winter bereits seit meiner Kindheit magisch anziehen, war für mich klar, dass ich irgendwann in meinem Leben nach Sibirien reisen muss, da dort nunmal die tiefsten Temperaturen unserer Erde (ausgenommen vom Südpol) herrschen. -40 Grad werden hin und wieder schon mal in Nordfinnland, Kanada oder den USA gemessen. Aber unter -50 Grad? Das gibt es wirklich nur in den Wintermonaten in Sibirien.
Anne: Was machst Du sonst so, wenn Du nicht gerade auf Reisen unterwegs bist, um Land und Leute kennenzulernen?
Sebastian: Das Reisen ist mein größtes Hobby. Es ist ein teures, aber sehr schönes Hobby, das ich nie aufgeben könnte. Ich bin immer auf der Suche nach für mich neuen Ecken auf der Erde. Mit im Gepäck ist immer meine Kamera, die diese Momente für mich festhält. So kann ich gleich zwei Hobbies pflegen: Das Reisen und das Fotografieren. Meine Schwerpunkt ist dabei die Naturfotografie, wenn ich unterwegs bin und fremde Kulturen kennenlerne, fotografiere ich aber auch immer gerne Menschen. Hin und wieder spiele ich außerdem auch gerne Fußball oder Badminton.
Anne: Du arbeitetest beim Deutschen Wetterdienst. Möchtest Du uns erzählen, was genau dort Deine Aufgabe ist?
Sebastian: Ich studiere Flugmeteorologie intern im Deutschen Wetterdienst. Meine Aufgabe wird später sein, Wettervorhersagen für Piloten zu erstellen und diese zu beraten, ob das Flugzeug starten kann oder aufgrund verschiedener meteorologischer Phänomene wie z.B. Windscherungen, Nebel, Starkniederschlag warten muss.
Anne: Wo bist Du schon überall hingereist und wo hat es Dir bis jetzt am besten gefallen?
Sebastian: Ich habe bisher 22 Länder bereist. Von den USA, über den mittleren Osten bis nach Asien. Japan war kulturell sehr interessant, im Oman durfte ich die Ramadanzeit miterleben, also von morgen bis abends nicht essen und trinken und das bei teils über +40 Grad Celsius. Die norwegischen Fjorde sind landschaftlich sehr schön, genauso wie zuletzt die Bergketten in Sibirien. Letztendlich denke ich, dass jedes Land seine besonderen Reize hat. Man muss nur genauer hinsehen. Aus diesem Grund verreise ich immer mit Couchsurfing. Auf diese Art bekommt man viel tiefgründigere Einblicke in den Alltag der verschiedenen Kulturen.
Anne: Eine tolle Idee, einen Reisefilm zu machen, er ist im Internet zu sehen. Hast Du noch mehr in diese Richtung geplant? Wird es Vorträge geben oder vielleicht sogar ein Buch?
Sebastian: Ich bin am überlegen ein Buch zu verfassen. Mehr möchte ich noch nicht verraten.
Anne: Was hat Dir an Yakutien besonders gut gefallen?
Sebastian: Die Einheimischen sind sehr warm und hilfsbereit und die Landschaft ist unglaublich schön. Die Entfernungen sind gigantisch. Auf einer zehnstündigen Tour durch die Taiga sind uns gerade mal 3-4 Autos entgegengekommen.
Anne: Was genau ist eigentlich Eisnebel?
Sebastian: Eisnebel kommt in Europa kaum bis gar nicht vor. Er entsteht erst ab etwa -30 Grad Celsius. In der Luft sind dann nur noch Eiskristalle enthalten und keine Wassertröpfchen mehr, wie das sonst bei Nebel oder auch gefrierendem Nebel der Fall ist.
Anne: Du lebst vegan. Vegan auf Reisen ist für viele ein großes Thema, auch wir haben uns über eine vegane Reisegruppe auf Facebook kennengelernt. Es ist sehr spannend, die unterschiedlichen Ernährungsweisen kennenzulernen. In vielen Ländern fällt es einem sehr leicht, sich vegan zu ernähren (ich habe z. B. in Indonesien und auf Sri Lanka nur gute Erfahrungen gemacht), in anderen Ländern gestaltet sich das etwas schwieriger, das hängt natürlich auch immer von den Traditionen und den Gewohnheiten der Bewohner ab. Ich kann mir vorstellen, dass es besonders in Yakutien und Sibirien nicht sehr leicht ist, der Hauptbestandteil der Nahrung besteht dort nach wie vor aus Fleisch und Fisch, wenn ich richtig informiert bin. Was ist Deine Erfahrung? Was wird dort gegessen? Wie hast Du Dich ernährt?
Sebastian: Fleisch und Fisch wird dort morgens, mittags und abends verzehrt. Und das in allen Variationen. Gemüse ist rar und teuer, da alles importiert werden muss. Komplett vegan zu leben, war in den abgeschiedenen Dörfern, würde ich behaupten, unmöglich. Es sei denn man würde sich 2 Wochen durchgehend nur von Haferbrei und Äpfeln ernähren. Ich bin daher für die Dauer meines Aufenthalts auf vegetarisch umgestiegen. Einige vegane Produkte habe ich zudem aus Deutschland mitgebracht.
Anne: Wie wurde Dein Veganismus angenommen? Wie reagierten die Menschen?
Sebastian: Das Wort vegan ist in Yakutien unbekannt. Man kennt es schlichtweg nicht und konnte mich nicht verstehen. Die Menschen wussten nicht mal, dass es auch ein russisches Wort für vegan gibt. Totaler Wahnsinn. *lacht*
Anne: Durch Deine Arbeit beim Deutschen Wetterdienst und Dein Reisehobby bist Du sehr oft unterwegs, nicht selten sehr weit weg von zu Hause. Dein Tipp gegen Heimweh?
Sebastian: Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, da ich noch nie Heimweh hatte. Man sollte sich glücklich schätzen und jeden Moment genießen, wenn man gerade an einem anderen Ort ist. Und gegen Fernweh hilft nur eins: Auf Reisen gehen.
Anne: Wo kann man Deine Bilder bewundern?
Sebastian: Ich habe eine Webseite1, welche jedoch etwas veraltet ist, da ich wenig Zeit habe, alle Fotos und Impressionen dort hochzuladen. Es wird mal wieder Zeit. *lacht*
Anne: Gibt es noch mehr von Dir im Internet? Bist Du in Communities unterwegs?
Sebastian: Ich habe einen Flickr-Account2 und bin Mitglied der Fotocommunity. Beide Seiten sind aus Zeitmangel leider auch nicht aktuell und müssten aufgefrischt werden.
Anne: Wo geht die Reise für Dich als nächstes hin?
Sebastian: Das ist eine schwierige Frage. Ich möchte gerne nach Südamerika! Wer weiß
Anne: Was unterscheidet Yakutien/Sibirien von unseren Breitengraden? Gibt es Dinge, von denen Du sagst, dass wir sie auf jeden Fall übernehmen sollten?
Sebastian: Dadurch, dass die Menschen kaum bis kein Internet haben, kein fließendes Wasser im Haus und generell vielleicht nur die Hälfte von all dem was wir so besitzen, wurde mir mal wieder klar, dass wir in Europa eigentlich alles haben. Die meisten Sachen sind doch sowieso Luxusgüter. Wir sollten es mehr zu schätzen wissen, was wir alles zur Verfügung haben.
Anne: Was hältst Du von Reiseführern? Gibt es einen für Yakutien/Sibirien, den Du empfehlen kannst? Oder schreibst Du selbst einen?
Sebastian: Ich schaue grundsätzlich vor meinen Reisen in den Online Wiki-Travel Reiseführer. Der ist sehr gut. Über Yakutien hatte ich keinen und generell würde ich sagen, dass ich mich auf dieser Reise meist auf mein Gefühl verlassen habe. Ich hatte keinen Schimmer wie sich -50 Grad anfühlen werden und bin einfach mit meinem Koffer dorthin geflogen
Anne: Würdest Du wieder nach Yakutien/Sibirien reisen?
Sebastian: Auf jeden Fall.
Anne: Wie hast Du Dich auf Deiner Reise verständigt? Sprichst Du die yakutische Sprache oder fließend russisch?
Sebastian: Ich hatte über Couchsurfing ständig eine Begleitung an meiner Seite, die übersetzt hat. Ich spreche kein Russisch, die Einheimischen kein Englisch. Ohne Übersetzer wäre so eine Reise fast undenkbar bzw. sehr schwierig.
Anne: Gerade erst las ich wieder über die Probleme der Klimaveränderung in Sibirien. Hast Du davon bei deinem Besuch etwas mitbekommen?
Sebastian: Die Menschen behaupten, dass es nicht mehr so kalt sei, wie früher. Früher waren Temperaturen von -60 Grad Standard, heute sind es die -50 Grad.
Anne: 5 Dinge, die man in Yakutien/Sibirien immer dabei haben sollte?
Sebastian: warme Kleidung (zumindest im Winter), Geduld und Verständnis, Kamera, Wörterbuch und ein Lächeln im Gesicht.
Anne: Vielen Dank! Hat mich gefreut, Deine Bekanntschaft zu machen!
Fotos: Sebastian Frost
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