Deutsche Candida Hilfe e.V. / Pilze im Darm / Candida albicans

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Mein süßes Geheimnis

". . . Und du bleibst bitte so lange sitzen, bis Du aufgegessen hast." Noch heute höre ich die mahnenden Worte meiner Mutter und sehe ich mich lustlos und unruhig mit zusammengekniffenem Mund und baumelnden Beinen vor meinen Leberwurstschnittchen sitzen.

Auch die Kuba-Orangen, die einzigen Südfrüchte, an die meine Eltern in der damaligen DDR ohne Beziehungen herankamen, sagten mir nicht so richtig zu. Sie schmeckten so ausgetrocknet und zäh, ließen sich schlecht schlucken. Daß meine Mutter den Schnittchenteller liebevoll dekorierte und sich bei der Garnitur mit Apfelsinenstückchen allergrößte Mühe gegeben hatte, wußte ich damals noch nicht so recht zu würdigen.

Was hätte ich dafür gegeben, wenn mir eine gute Fee jeden Abend meinen Teller geleert hätte. Nicht nur, daß mir der allabendliche Gute-Nacht-Gruß des Sandmännchens entging, da ich die Häppchen einfach nicht essen mochte, auch meine Süßigkeiten in meinem Geheimdepot mußten noch auf mich warten.

Irgendwann hatte ich jedoch meinen Teller geleert und konnte mich in einem unbeobachteten Moment an meine Naschecke herantasten und voller Appetit die Schleckereien genießen. Ich mußte natürlich aufpassen, daß mich meine Mutter nicht dabei ertappte, denn sie ahnte immer nichts Gutes, wenn ich einmal ruhig war. Meine Eltern erlaubten mir zwar schon, ab und zu Schokolade zu essen, aber den Verzehr der Menge an Süßigkeiten, die ich täglich zu mir nahm, hätten sie bestimmt nicht vertreten können.

Die Süßigkeiten, die ich in meinem geheimen Kästchen aufbewahrte, bekam ich immer, wenn ich krank war. Da ich seit meinem zweiten Lebensjahr zirka drei- bis viermal im Jahr an Bronchitis erkrankte und mich alle Gäste stets mit Süßigkeiten bedachten, füllte sich mein kleiner Naschkarton meistens in Windeseile.

Den Überschuß, den ich in Krankheitszeiten nicht verbrauchte, hob ich mir für "schlechtere" Zeiten auf. Wenn ich krank war, erlaubten mir meine Eltern sogar, etwas mehr Süßigkeiten zu essen. Ich war durch die laufenden Infekte so geschwächt, daß sie froh waren, wenn ich überhaupt etwas gegessen habe.

Probleme bereitete ihnen allerdings, daß ich die zahlreichen Tabletten und Kapseln, die ich meistens im 6-Stunden-Rhythmus einnehmen mußte, nicht hinunterschlucken mochte. Viel spannender fand ich es, die Kapseln aufzudrücken und kritisch zu beleuchten, was denn da so drin ist. Meine Eltern mußten sich folglich einiges einfallen lassen, um mir die Einnahme der Medikamente so attraktiv wie möglich zu gestalten. Da weder Limonade noch Obstsaft oder Kakao dazu beigetragen haben, daß die Tabletten "hinunterrutschten", kam meine Mutter auf die Idee, es einmal mit Marmelade und Pudding zu versuchen. Diesen Einfall fand ich genial, da ich so zu köstlichem Pudding kam und die Kapseln gar nicht mehr beim Hinunterschlucken merkte. Von nun an nahm ich protestlos jede Medizin ein.

Egal, ob ich gerade krank oder gesund war - der Heißhunger auf die süßen Leckereien verfolgte mich ständig. Natürlich kam es hin und wieder vor, daß in meinem Geheimversteck gähnende Leere herrschte. Dann suchte ich nach Mitteln und Wegen, um meinen süßen Vorrat aufzustocken. Meine Großeltern freuten sich beispielsweise immer riesig, wenn ich versucht habe, ihnen zu helfen. Meine ersten Gehversuche in Sachen Geschirrspülen zogen zwar zahlreiche Verluste nach sich, aber mein Opa und meine Oma wußten meinen guten Willen sehr zu schätzen und belohnten mich stets mit Naschereien.

Aber es gab auch andere Quellen, aus denen sich Süßigkeiten erschließen ließen. Der Kinderarzt, bei dem ich ständig in Behandlung war, lobte mich stets, wie geduldig ich die nicht ganz schmerzarmen Untersuchungen über mich ergehen ließ. Meine Tapferkeit hatte ihren Grund, denn ich wußte, daß der Arzt nach jedem mutig durchstandenen Untersuchungsgang seine Schublade öffnete und meine Disziplin mit Bonbons honorierte.

Selbst das "jetzt sind wir einmal ganz tapfer, denn jetzt macht es mehrmals kurz piiiiieks" der stets freundlichen Schwester konnte mich nicht mehr erschrecken. Meine Mutter wußte meine Beherztheit auch sehr zu schätzen, da ich einmal aus Angst vor der eiskalten Röntgenplatte beim Lungenröntgen weggelaufen bin und mich meine Mutter und die Röntgenassistentin kollektiv im Krankenhaus einsammeln mußten. Da ich meiner Mutter jetzt solche Negativ-Erlebnisse ersparte, belohnte auch sie mich mit leckersten Naschereien.

Hin und wieder klagte ich schon damals über Bauchschmerzen, doch der Arzt meinte, dies käme von den vielen Antibiotika. Auch ein Blähbauch sei da normal. Mit sechs Jahren schickten mich die Ärzte das erste Mal sechs Wochen zur Heilkur. Dem Arzt dort fiel mein dicker Bauch auf. Übergewichtig war ich zwar nicht. Trotzdem wies er die Erzieherinnen an, meine Mahlzeiten zu reduzieren, damit mein Bauch nicht noch an Umfang zunehmen würde. Von einer Scheibe Marmeladenbrot, die es zum Frühstück gab, wurde ich jedoch nicht satt.

Da die Erzieherinnen sehr lieb zu mir gewesen sind, bekam ich stets meine Marmeladenschnitten extra. Obwohl ich meine Süßigkeiten schmerzlich vermißte, sorgten die Marmeladenbrote wenigstens für etwas Trost. Als ich von der Kur nach Hause kam, erwarteten mich freudig meine Eltern und meine Schwester, und ich erhielt als Willkommensgruß eine Uhr sowie reichlich Schokolade. Endlich konnte ich wieder ungehindert Süßes schlemmen.

Seit der ersten Klasse besuchte ich das Trainingszentrum Schwimmen. Anfangs ging ich noch gern zu den drei- bis viermal wöchentlich stattfindenden Trainingsnachmittagen. Bei meinen ersten Kreismeisterschaften gewann ich sogar eine Medaille und schwamm bei anschließenden Wettkämpfen, die auf Bezirksebene stattfanden, meinen gleichaltrigen männlichen Konkurrenten davon.

Ein Jahr später wurden die häufigen Schwimmstunden für mich jedoch zur Qual, da ich mich ständig kraftlos und müde fühlte. Obwohl ich eisern trainierte, hatte ich manchmal richtig Mühe, mich überhaupt über Wasser zu halten. Plötzlich bildete ich bei Schwimmwettkämpfen das große Schlußlicht. Meinen Trainern ging auf, daß es ihnen nie gelingen würde, aus mir eine große Leistungssportlerin zu machen und legten mir nahe, doch mit dem Schwimmen aufzuhören. Das tat ich dann auch, denn ich hatte keine Lust mehr, von den Trainern unbeachtet im Wasser vor mich hinzuplanschen, während die anderen Kinder intensiv trainiert wurden.

In dieser Zeit nahm auch meine Infektanfälligkeit immer mehr zu, und zur chronischen Bronchitis gesellten sich Mandel- und Mittelohr- sowie Nasennebenhöhlenentzündungen. Bei allen Krankheiten versprachen sich die Ärzte von Antibiotika den größtmöglichen Heilungserfolg. Jedesmal gingen diese Behandlungen mit Durchfall und Fieber einher, und ich fühlte mich ständig kraftlos.

Aber auch wenn ich gerade einmal keine Antibiotika einnahm, war ich immer unheimlich müde. Der Heißhunger nach Süßem wuchs ständig. Mittlerweile durchsuchte ich schon fast täglich den Küchenschrank nach Traubenzucker und Rosinen, die meine Mutter eigentlich nur zum Backen verwendete, da es diese Backzutat so selten zu kaufen gab.

Da sich mein Gesundheitszustand immer mehr verschlechterte, fuhr ich wieder zur Kur. Meine Eltern erleichterten mir die sechswöchige Abwesenheit von zu Hause, in dem sie mich regelmäßig mit Päckchen beglückten, die unter anderem auch Süßigkeiten beinhalteten. So konnte ich auch im Sanatorium meinen Heißhunger nach Naschereien stillen. Immer während der Mittagsruhe bediente ich mich aus meiner Nachttischschublade, in der sich die Leckereien befanden und genoß die Süßigkeiten in vollen Zügen.

Nach dieser Kur blieb die Bronchitis zwar für ein Jahr lang aus, der Heißhunger nach Süßem nahm jedoch immer eigenartigere Formen an. Mittlerweile war ich schon längst nicht mehr fähig, mir ein Depot mit Süßigkeiten zu halten, da ich die Naschereien, sobald ich sie bekommen habe, immer gleich an Ort und Stelle aufaß. Weil meine Mutter die Rosinen mittlerweile vor mir versteckt hatte, kochte ich mir täglich Pudding, den ich immer gleich warm verzehrte.

Dazu mixte ich mir noch Milchmischgetränke, die ich mit Traubenzucker süßte, und konsumierte die von meinem Vater selbstgemachte Nußnougatcreme gleich löffelweise aus dem Glas. Nachdem meine Mutter in einer Zeitung gelesen hatte, daß zwei Liter Milch am Tag für ein Schulkind ungesund seien, durfte ich täglich nur noch einen halben Liter trinken.

Aber ich wußte mir Abhilfe zu verschaffen. Da meine Großeltern nur wenige Häuser von unserer Wohnung entfernt lebten, kochte ich mir nach der von meiner Mutter verordneten Milchrationierung dort meine Süßspeisen. Zu Hause bediente ich mich anschließend noch aus dem Marmeladenglas.

Gelang es mir jedoch nicht, sofort an Süßigkeiten heranzukommen, wie dies zum Beispiel bei Ausflügen der Fall war, fühlte ich mich ganz aufgekratzt und flatterig. Hinzu kam ein permanenter Durst nach süßer Limonade. Nachdem meiner Mutter aufgefallen ist, daß ich statt süßer Milch nun literweise Zitronenbrause trank, vermutete sie Diabetes und ging sofort mit mir zum Arzt.

Dieser stellte fest, daß die Symptome auf die Diabetes schließen lassen und leitete die entsprechenden Untersuchungen ein. Ihn verwunderte jedoch auch, daß die Laborergebnisse seine Vermutung nicht bestätigten. Gleichzeitig merkte er an, daß in der Wachstumsphase fast alle Heranwachsenden solche Eßattacken bekämen.

Mit vierzehn Jahren ging ich auf ein Internat in eine andere Stadt und hoffte, daß es dort abwechslungsreiches Essen gäbe. Darunter verstand ich, daß zum Beispiel auch süße Desserts und Eierkuchen die Mahlzeiten bereicherten.

Es stellte sich heraus, daß diese Vorstellungen reichlich naiv gewesen sind. Abends gab es helles Brot und diverse Wurstsorten, darunter auch Leberwurst. Einmal in der Woche verzierte auch Käse das kalte "Buffet". Da der Ansturm auf die heißbegehrten Häppchen ziemlich groß war, mußte man sehr flott sein und ziemlich gut rennen können, um noch ein Stückchen Käse abzubekommen.

Das Frühstück unterschied sich vom Abendessen nur darin, daß uns zusätzlich noch Marmelade gereicht wurde. Da mein Vater einen großen Garten hegte und pflegte, wurde ich von zu Hause aus mit reichlich Obst und Gemüse bestückt. So war wenigstens eine ausreichende Vitaminzufuhr gewährleistet.

Mein Hunger nach Süßem wurde natürlich nicht nur durch Obst gestillt. Ich naschte fleißig weiter. Da meine Mitschülerinnen vom Internatsessen ebensowenig angetan waren wie ich, saßen wir oft gemütlich in unserem kleinen Vier-Bett-Zimmer zusammen und verzehrten gemeinsam unsere süßen Vorräte.

Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich jedoch ständig. Nicht nur, daß die Ärzte mindestens viermal jährlich eine Bronchitis diagnostizierten und ich mich ständig müde und schlapp fühlte, auch bei den geringsten körperlichen Anstrengungen hatte ich Atembeschwerden und japste nach Luft. Mit fünfzehn Jahren schickten mich die Ärzte wieder zur Kur.

Da Jugendliche zwischen vierzehn und achtzehn Jahren in der ehemaligen DDR nicht mit Heilkuren bedacht worden sind, konnte ich mir aussuchen, ob ich eine Heilkur für Kinder oder für Erwachsene mitmachen wollte. Ich entschied mich für letzteres, denn nach den zweistündigen Mittagsruhen und den gemeinsamen Gruppenspaziergängen einer Kinder-Heilkur stand mir nicht der Sinn.

Die Kur begann mit einer gründlichen Eingangsuntersuchung, bei der die Ärztin besorgt feststellte, daß "es mit meiner Gesundheit nicht gerade großartig aussehe". Sie verordnete mir eine Reihe von Behandlungen und Aminophyllin-Tabletten, die ich von nun an täglich einnehmen mußte.

Während der Kur ging es mir, von meinem dicken und schmerzenden Blähbauch abgesehen, glänzend. Durch das Medikament sind meine Atembeschwerden behoben worden, und ich kam problemlos wieder alle Treppen hinauf.

Das Essen, das es bei der Kur gab, hob sich in überdurchschnittlichem Maße von meinem gewohnten Internatsessen ab. Besonders schätzte ich es, daß bei sämtlichen Mahlzeiten irgendwelche Leckereien das Buffet bereicherten.

Morgens gab es beispielsweise süßen Quark mit Früchten, den ich in Unmengen verzehrte. Um auch meinem spätabends einkehrenden Appetit nach Süßem nachgeben zu können, deckte ich mich im Lebensmittelladen mit Knuspereien ein.

Zusätzlich gab ich mein Taschengeld zum großen Teil in der örtlichen Eisdiele aus, in der hervorragendes Softeis hergestellt wurde. Nach zirka acht bis neun Behandlungen, die außer sonntags täglich auf dem Programm standen, genoß ich es so richtig, in Ruhe ein großes Eis zu schlecken.

Am Ende der Kur mußte ich mich nochmals einer Abschlußuntersuchung unterziehen. Ich hoffte, daß ich von nun an nicht mehr diese Aminophyllin-Tabletten einnehmen mußte, da mir die tägliche Einnahme als lästig erschien, doch die Ärztin hielt die tägliche Medikamentengabe für unabdinglich. Die Kur ist für mich zwar recht kurzweilig und unterhaltsam gewesen, der Kurerfolg hielt jedoch nicht lange an.

Schon einen Monat nach Kurende hatte ich wieder eine Bronchitis, und bald danach folgte der erste richtige Asthma-Anfall. Die Lungenärztin, die ich zu Hause aufsuchte, verschrieb mir nun Theophyllin und ein kortisonhaltiges Spray, das ich täglich prophylaktisch einnehmen sollte.

Durch die Medikamente ließen sich zwar die Atembeschwerden etwas lindern, insgesamt fühlte ich mich jedoch stets matt und müde. Da mein gesundheitliches Wohlbefinden immer mehr gegen null strebte und die Lungenärztin zu einem Luftwechsel riet, verließ ich das Internat und besuchte eine Schule in der Sächsischen Schweiz.

Schon kurz nach Schulbeginn erkrankte ich wieder an Bronchitis, und die Asthmaanfälle häuften sich. Bei meinem dortigen Arzt erhielt ich täglich eine Spritze mit Kortison und eine mit Theophyllin beziehungsweise Aminophyllin. Gegen die nächtlichen Hustenattacken verordnete er mir Codein-Tabletten. Damit ich über das Wochenende nach Hause fahren konnte, stattete er mich mit einer Packung Kortisontabletten aus.

Zu dieser Zeit fühlte ich mich täglich wie in Trance. Ich hatte das Gefühl, daß alles nur an mir vorbeirauscht, und mir war ehrlich gesagt alles so richtig egal. Den größten Teil des Tages verschlief ich, und Appetit hatte ich nur auf Süßes.

Mittlerweile taten mir die Fersen so weh, daß ich nur noch mit Schmerzen auftreten konnte. Auch die anderen Gelenke, besonders die Fingergelenke, schmerzten sehr. Mein Arzt meinte, daß dies vom Kortison käme, weil dieses Präparat den Knochen Kalzium entzöge.

Glücklicherweise kam im Herbst die politische Wende. Da die Luftverhältnisse im anderen Teil Deutschlands wesentlich besser sein sollten, brach ich meine mittlerweile begonnene Lehre ab und zog im Frühjahr 1990 an die Nordsee. Innerhalb weniger Monate ließen meine Atembeschwerden deutlich nach. Die prophylaktische Einnahme eines kortisonhaltigen Sprays hielt mein neuer Arzt jedoch weiterhin für erforderlich.

Jetzt hatte ich zwar mit dem Asthma keine großen Probleme mehr, das Rumoren in meinem Bauch nahm jedoch kein Ende. Hinzu kamen permanente Blasenentzündungen. Als ich meinem Arzt meine Beschwerden vorgetragen hatte, und er nach dem Abtasten des Bauches nichts weiter feststellte, deutete er an, daß dies psychisch bedingt sei. Der Blähbauch blieb, und auch die Blasenentzündungen gingen nicht weg. Ich schlußfolgerte, daß es besser sei, wegen solcher Lappalien besser keinen Arzt zu konsultieren und ertrug geduldig meine Beschwerden.

Beste Ablenkung verschaffte ich mir, indem ich das Angebot an Sahnejoghurts und Süßigkeiten des westlichen Teils Deutschlands durchtestete. Von den neuen Leckereien vollauf begeistert, stopfte ich sie nun von früh bis spät in mich hinein. Selbst abends um elf konnte ich nicht vor dem Kühlschrank halt machen. Meine Eß-Eskapaden schlugen sich natürlich auch auf der Waage nieder. Innerhalb von drei Monaten habe ich zwölf Kilo zugenommen.

Etwas angst wurde mir vor der anstehenden Lehre. Wie sollte ich tagsüber zu meinen Süßigkeiten kommen, fragte ich mich unentwegt. Aber ich sagte mir dann "where is a will, there is a way". Auf der Arbeit stellte ich beruhigt fest, daß es außer mir noch andere Naschkatzen gab, denn das Döschen mit Süßigkeiten hatte am Kundenschalter schon seinen etablierten Platz. Mir war es natürlich peinlich, als mich immer wieder die gleichen Kunden Schokolade essend ertappten. Aber ich konnte mich mit ihnen schnell wieder versöhnen, indem ich ihnen eine Leckerei aus unserer Dose anbot.

Manchmal konnte ich meinem Appetit auf Süßes nicht einmal mehr am Schalter nachkommen. Dann verzog ich mich diskret in den Pausenraum zurück und naschte dort. In der Mittagspause ließ ich mir weitere süße Sachen munden. Gleichzeitig überkam mich jedoch jeden Mittag eine unheimliche Müdigkeit. Die nachmittäglichen Stunden am Schalter wurden manchmal zur Qual. Obwohl ich abends zeitig zu Bett ging, fühlte ich mich nie so richtig ausgeschlafen.

Gleich nach Abschluß meiner Lehre habe ich ein Studium aufgenommen. Zu Studienbeginn dachte ich, daß sich meine Heißhungerattacken nicht mehr steigern ließen, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Die von zu Hause als Tagesration mitgebrachten Süßigkeiten ließ ich mir schon kurz nach Eintreffen an der Universität schmecken. Die letzte Viertelstunde jeder Vorlesung brachte ich grübelnd zwischen meinen interessiert zuhörenden Kommilitonen zu und überlegte angestrengt, welche Leckerei ich mir wohl in der kommenden Pause gönnen würde.

War die Pause dann endlich gekommen, eilte ich im Sauseschritt zur Bäckerei oder zu den Lebensmittelläden, um mich mit großen Rumkugeln, Eis und vor allem mit diversen Riegeln einzudecken. Im zweiten Semester nahmen meine Hungerattacken immer seltsamere Formen an, so daß ich mich teilweise sogar aus dem Hörsaal schlich, um mir schnell Süßigkeiten kaufen zu können. Meine Aufnahmefähigkeit sank hingegen rapide ab. Schon morgens in der ersten Vorlesungsstunde tangierte mich der vom Dozenten dargebotene Lehrstoff teilweise nicht im geringsten.

Ich dachte mir so manches Mal, daß es effektiver gewesen wäre, wenn ich zu Hause im Bett geblieben wäre. Die Zeit, in der ich mich auf die Klausuren vorbereiten mußte, empfand ich als besonders anstrengend, da ich mir den entgangenen Vorlesungsstoff selbst erarbeiten mußte. Da sich nunmehr mein stark überhöhter Schokoladen- und Bonbonkonsum nicht auf mein Gewicht auswirkten, griff ich weiterhin kräftig in die Naschdose. Die Bauchschmerzen, die mich unentwegt heimsuchten, ignorierte ich, da die ja nur psychisch bedingt sein sollten und meine mich immer stärker verfolgende Müdigkeit schrieb ich dem Klausurenstreß zu. "Was bringt es dir, wehleidig zu sein?", dachte ich mir immer.

Auch die immer stärker werdenden Gelenkschmerzen nahm ich so hin. Ich wäre damals nie darauf gekommen, daß Pilze die Übeltäter sein könnten. Zufällig besuchte ich eine Freundin, die gerade dabei war, eine Anti-Pilz-Diät durchzuführen. Durch sie erfuhr ich zum ersten Mal, daß sich Pilze im Darm überhaupt ausbreiten können. Obwohl bei mir ähnliche Symptome wie bei meiner Freundin aufgetreten sind, traute ich mich nicht, zum Arzt zu gehen. Inzwischen hatte ich zwar einen anderen Mediziner aufgesucht, aber mir war es trotzdem peinlich, mit "schwammigen" Symptomen, wie mit undefinierbaren Bauchschmerzen, Blähbauch und Gelenkschmerzen überhaupt einen Arzt zu belästigen. Zu groß war meine Angst, wieder als Hypochonderin hingestellt zu werden.

Eines schönes Tages beschloß ich aus heiterem Himmel, doch einmal im Kleid zur Universität zu gehen. An diesem Tag beobachtete ich immer wieder, daß mich verschiedene Leute eigenartig anschauten, manche geradezu anstarrten.

Zunächst dachte ich, daß ich wohl durch mein heute etwas anders geartetes Outfit die Aufmerksamkeit meiner Kommilitonen auf mich zog, weil ich sonst nur weite Pullover oder lässige T-Shirts zu tragen pflegte. Etwas verwundert nahm ich auch die Frage einer Mitstudentin nach meinem gesundheitlichen Wohlbefinden auf. Ein wenig blaß vom Streß waren wir in der Zeit vor den Klausuren doch fast alle.

Nachdem sich auch noch zwei andere Komillitonen diskret erkundigten, ob ich mich derzeit bester Gesundheit erfreute, wurde ich stutzig und fragte nach dem Grund für so eine Frage. "Nur so", bekam ich stets als Antwort zu hören.

Den ganzen Tag dachte ich darüber nach, was mich denn heute so exotisch wirken läßt. Erst ein guter Freund verriet mir abends des Rätsels Lösung, indem er mich mit den Worten "Sag mal, bist du schwanger?" empfing. Also ließ mein Blähbauch sogar Spekulationen über eine eventuelle Schwangerschaft zu. Das Kleid verbannte ich sofort in die hinterste Ecke meines Kleiderschrankes, und ich zog sofort wieder meine heißgeliebten weiten Pullis an.

Selbst nach diesem Ereignis konnte ich mich immer noch nicht so recht entschließen, mich auf Pilze untersuchen zu lassen. Doch irgendwann schmerzte mein Blähbauch so sehr, daß ich es kaum mehr aushielt. Und um zu umgehen, daß demnächst handgehäkelte Babygarnituren bei mir eintreffen, wenn mein Blähbauch weiterhin in solchem Maße an Umfang zunehmen würde, suchte ich dann doch meinen Arzt auf.

Ich war völlig überrascht, als er meine Beschwerden ernst nahm und eine Untersuchung meiner Stuhlprobe anwies. Mich verwunderte es auch nicht sehr, als er mir eine Woche später verkündete, daß ich Pilze im Darm hätte.

Er verschrieb mir Nystatin und schob mir freundlich lächelnd ein Zettelchen über den Tisch, dem ich eine Diätempfehlung entnehmen konnte. Entgeistert starrte ich darauf - meine heißgeliebten Naschereien standen alle auf der Liste der nicht empfehlenswerten Lebensmittel. Mein Arzt, dem meine Vorliebe für süße Leckereien bereits bekannt war, meinte noch, daß ich auf diese Art und Weise endlich mal dazu käme, etwas Vollwertiges zu essen. Voller Wut im Bauch ging ich aus dem Behandlungszimmer. Wie sollte ich mindestens drei Wochen lang ohne Süßigkeiten durchhalten, fragte ich mich unentwegt.

Andererseits war mir klar, daß ich konsequent sein mußte, um meine unliebsamen Darmbewohner loszuwerden. Zu Hause angekommen, ging ich zuerst mit einer Rolle Klebeband zu meiner mit Süßigkeiten gefüllten Schublade und versiegelte diese, um nicht in Versuchung zu geraten.

Da mein Wissen über Pilze zu dieser Zeit noch extrem dünn war, kaufte ich mir den Patientenratgeber "Pilze im Körper- Krank ohne Grund?", den ich gleich an einem Abend durchschmökerte. Dieses Buch gab mir Antworten auf viele offenstehende Fragen. So konnte ich mich auch am nächsten Tag gleich mit diätgerechten Nahrungsmitteln eindecken.

In der ersten Woche meiner Anti-Pilz-Behandlung war ich in hohem Maße gereizt und aufgekratzt. Freunde boten spöttelnd an, mir Literatur über hyperaktive Kinder, die sich teilweise ja problemlos auch auf Erwachsene übertragen ließe, zu kaufen, was ich dankend ablehnte. Ich lief jedoch nicht nur quirlig und aufgedreht durch die Gegend, auch meine Atembeschwerden verschlimmerten sich. Nach sieben Tagen Anti-Pilz-Behandlung bekam ich an einem Wochenende plötzlich wieder Hustenattacken.

Während des ganzen Wochenendes hustete ich permanent eitriges Sekret ab und hatte unentwegt das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ständig überlegte ich, was ich mir mit dieser Anti-Pilz-Behandlung wohl aufgeladen hätte, entnahm jedoch dann dem grünen Patientenratgeber, daß sich die Beschwerden zu Beginn der Behandlung zunächst durchaus verschlimmern könnten.

An diesem Wochenende tröstete mich diese Erkenntnis herzlich wenig, zumal ich eine mir sehr wichtige Verabredung platzen lassen mußte. Da sich diese beiden Tage nicht aus dem Kalender streichen ließen, hoffte ich geduldig auf Besserung. Diese stellte sich bald ein. Schon am nächsten Tag konnte ich wieder ohne Beschwerden frei atmen. Seitdem habe ich auch nicht mehr die geringsten Probleme mit Asthmaanfällen. Die Bauch- und Gelenkschmerzen begleiteten mich während der Anti-Pilz-Behandlung noch länger, aber immerhin mußte ich nun nicht mehr nach Luft japsen.

Meine Ernährung stellte ich durch die Diät auch grundsätzlich um und lebte nun gesund wie nie zuvor, indem ich mir fast jeden Abend bunte Salate zubereitete. Eine großartige Köchin ist zwar in dieser Zeit nicht aus mir geworden, denn bei mir gab es fast allabendlich Kartoffeln und Quark, aber immerhin aß ich jetzt keine Süßigkeiten mehr.

Mit Spannung erwartete ich nach dreiwöchiger Behandlung meinen Untersuchungsbefund und hoffte, nun endlich meine zuckerfreie Zeit überstanden zu haben, aber mein Arzt stellte fest, "daß wir bei unserer Anti-Pilz-Behandlung wohl noch ein bißchen durchhalten müssen" und verabschiedete mich mit einem Nystatin-Rezept.
Begossen wie ein kleiner Pudel verließ ich die Praxis und überlegte, wie ich die nächsten vier Behandlungswochen durchstehen sollte. Zwar ernährte ich mich jetzt gesünder, aber der Heißhunger auf Süßes blieb. Eisern ging ich an jeder Eisdiele und jedem mit Süßigkeiten gefüllten Regal vorbei.
Meine Kommilitonen sahen mich nur noch möhrchen- und kohlrabi-knabbernd in der Hochschule. Obwohl ich vor der Anti-Pilz-Behandlung auch nicht dick gewesen bin, purzelten bei meiner unfreiwillig veranstalteten Diät nun kräftig die Pfunde, und ich fühlte mich immer noch etwas schlapp.

Je länger ich jedoch Nystatin einnahm und die Diät durchhielt, umso besser fühlte ich mich gesundheitlich. Die Bauchschmerzen ließen genauso nach wie die Blähungen, und auch die Gelenkschmerzen verschwanden. Wie froh war ich, als mein Arzt mir dann verkündete, daß sich in meinem Darm keine Pilze mehr tummelten.

In der ersten Woche nach der Anti-Pilz-Behandlung hielt ich mich noch streng an die Diät. Schließlich wollte ich nicht gleich wieder unfreiwillig abspecken. Aber schon in der zweiten Woche gönnte ich mir hin und wieder Obst und Naschereien, weil ich das Gefühl hatte, mir das nach so langer Enthaltsamkeit auch verdient zu haben. Kurz darauf stellten sich wieder meine altbekannten Beschwerden, wie der Blähbauch, die Gelenkschmerzen und die permanente Müdigkeit ein. Dieses Mal wartete ich jedoch nicht monatelang, ehe ich zum Arzt ging, sondern suchte ihn sofort auf.

Dieser diagnostizierte auch wieder Pilze im Darm. Mit einem Rezept für Nystatin und der Erkenntnis, daß es sich doch lohnt, nach einer abgeschlossenen Anti-Pilz-Behandlung eine Zeitlang auf Süßes zu verzichten, verließ ich die Praxis. Aber auch diese Behandlung habe ich, im übrigen ohne ein einziges Mal zu naschen, durchgestanden. Obwohl ich die Anti-Pilz-Diät sehr oft verflucht habe, ist es mir durch deren Einhaltung gelungen, mich vollwertig zu ernähren und so gesünder zu leben.

Ruhe habe ich vor den kleinen Quälgeistern bis heute noch nicht gefunden. Gelegentlich besuchen sie mich immer wieder. Mir ist jedoch das Gefühl wichtig, zu wissen, was mit mir los ist und daß ich etwas gegen die kleinen Störenfriede tun kann. Denn mit einer konsequenten Diät und der Einnahme von Nystatin kann ich meinen unbeliebten Darmbewohnern sehr wohl den Kampf ansagen. Wenn es sein muß, eben auch häufiger.




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". . . Und du bleibst bitte so lange sitzen, bis Du aufgegessen hast." Noch heute höre ich die mahnenden Worte meiner Mutter und sehe ich mich lustlos und unruhig mit zusammengekniffenem Mund und baumelnden Beinen vor meinen Leberwurstschnittchen sitzen.

Auch die Kuba-Orangen, die einzigen Südfrüchte, an die meine Eltern in der damaligen DDR ohne Beziehungen herankamen, sagten mir nicht so richtig zu. Sie schmeckten so ausgetrocknet und zäh, ließen sich schlecht schlucken. Daß meine Mutter den Schnittchenteller liebevoll dekorierte und sich bei der Garnitur mit Apfelsinenstückchen allergrößte Mühe gegeben hatte, wußte ich damals noch nicht so recht zu würdigen.

Was hätte ich dafür gegeben, wenn mir eine gute Fee jeden Abend meinen Teller geleert hätte. Nicht nur, daß mir der allabendliche Gute-Nacht-Gruß des Sandmännchens entging, da ich die Häppchen einfach nicht essen mochte, auch meine Süßigkeiten in meinem Geheimdepot mußten noch auf mich warten.

Irgendwann hatte ich jedoch meinen Teller geleert und konnte mich in einem unbeobachteten Moment an meine Naschecke herantasten und voller Appetit die Schleckereien genießen. Ich mußte natürlich aufpassen, daß mich meine Mutter nicht dabei ertappte, denn sie ahnte immer nichts Gutes, wenn ich einmal ruhig war. Meine Eltern erlaubten mir zwar schon, ab und zu Schokolade zu essen, aber den Verzehr der Menge an Süßigkeiten, die ich täglich zu mir nahm, hätten sie bestimmt nicht vertreten können.

Die Süßigkeiten, die ich in meinem geheimen Kästchen aufbewahrte, bekam ich immer, wenn ich krank war. Da ich seit meinem zweiten Lebensjahr zirka drei- bis viermal im Jahr an Bronchitis erkrankte und mich alle Gäste stets mit Süßigkeiten bedachten, füllte sich mein kleiner Naschkarton meistens in Windeseile.

Den Überschuß, den ich in Krankheitszeiten nicht verbrauchte, hob ich mir für "schlechtere" Zeiten auf. Wenn ich krank war, erlaubten mir meine Eltern sogar, etwas mehr Süßigkeiten zu essen. Ich war durch die laufenden Infekte so geschwächt, daß sie froh waren, wenn ich überhaupt etwas gegessen habe.

Probleme bereitete ihnen allerdings, daß ich die zahlreichen Tabletten und Kapseln, die ich meistens im 6-Stunden-Rhythmus einnehmen mußte, nicht hinunterschlucken mochte. Viel spannender fand ich es, die Kapseln aufzudrücken und kritisch zu beleuchten, was denn da so drin ist. Meine Eltern mußten sich folglich einiges einfallen lassen, um mir die Einnahme der Medikamente so attraktiv wie möglich zu gestalten. Da weder Limonade noch Obstsaft oder Kakao dazu beigetragen haben, daß die Tabletten "hinunterrutschten", kam meine Mutter auf die Idee, es einmal mit Marmelade und Pudding zu versuchen. Diesen Einfall fand ich genial, da ich so zu köstlichem Pudding kam und die Kapseln gar nicht mehr beim Hinunterschlucken merkte. Von nun an nahm ich protestlos jede Medizin ein.

Egal, ob ich gerade krank oder gesund war - der Heißhunger auf die süßen Leckereien verfolgte mich ständig. Natürlich kam es hin und wieder vor, daß in meinem Geheimversteck gähnende Leere herrschte. Dann suchte ich nach Mitteln und Wegen, um meinen süßen Vorrat aufzustocken. Meine Großeltern freuten sich beispielsweise immer riesig, wenn ich versucht habe, ihnen zu helfen. Meine ersten Gehversuche in Sachen Geschirrspülen zogen zwar zahlreiche Verluste nach sich, aber mein Opa und meine Oma wußten meinen guten Willen sehr zu schätzen und belohnten mich stets mit Naschereien.

Aber es gab auch andere Quellen, aus denen sich Süßigkeiten erschließen ließen. Der Kinderarzt, bei dem ich ständig in Behandlung war, lobte mich stets, wie geduldig ich die nicht ganz schmerzarmen Untersuchungen über mich ergehen ließ. Meine Tapferkeit hatte ihren Grund, denn ich wußte, daß der Arzt nach jedem mutig durchstandenen Untersuchungsgang seine Schublade öffnete und meine Disziplin mit Bonbons honorierte.

Selbst das "jetzt sind wir einmal ganz tapfer, denn jetzt macht es mehrmals kurz piiiiieks" der stets freundlichen Schwester konnte mich nicht mehr erschrecken. Meine Mutter wußte meine Beherztheit auch sehr zu schätzen, da ich einmal aus Angst vor der eiskalten Röntgenplatte beim Lungenröntgen weggelaufen bin und mich meine Mutter und die Röntgenassistentin kollektiv im Krankenhaus einsammeln mußten. Da ich meiner Mutter jetzt solche Negativ-Erlebnisse ersparte, belohnte auch sie mich mit leckersten Naschereien.

Hin und wieder klagte ich schon damals über Bauchschmerzen, doch der Arzt meinte, dies käme von den vielen Antibiotika. Auch ein Blähbauch sei da normal. Mit sechs Jahren schickten mich die Ärzte das erste Mal sechs Wochen zur Heilkur. Dem Arzt dort fiel mein dicker Bauch auf. Übergewichtig war ich zwar nicht. Trotzdem wies er die Erzieherinnen an, meine Mahlzeiten zu reduzieren, damit mein Bauch nicht noch an Umfang zunehmen würde. Von einer Scheibe Marmeladenbrot, die es zum Frühstück gab, wurde ich jedoch nicht satt.

Da die Erzieherinnen sehr lieb zu mir gewesen sind, bekam ich stets meine Marmeladenschnitten extra. Obwohl ich meine Süßigkeiten schmerzlich vermißte, sorgten die Marmeladenbrote wenigstens für etwas Trost. Als ich von der Kur nach Hause kam, erwarteten mich freudig meine Eltern und meine Schwester, und ich erhielt als Willkommensgruß eine Uhr sowie reichlich Schokolade. Endlich konnte ich wieder ungehindert Süßes schlemmen.

Seit der ersten Klasse besuchte ich das Trainingszentrum Schwimmen. Anfangs ging ich noch gern zu den drei- bis viermal wöchentlich stattfindenden Trainingsnachmittagen. Bei meinen ersten Kreismeisterschaften gewann ich sogar eine Medaille und schwamm bei anschließenden Wettkämpfen, die auf Bezirksebene stattfanden, meinen gleichaltrigen männlichen Konkurrenten davon.

Ein Jahr später wurden die häufigen Schwimmstunden für mich jedoch zur Qual, da ich mich ständig kraftlos und müde fühlte. Obwohl ich eisern trainierte, hatte ich manchmal richtig Mühe, mich überhaupt über Wasser zu halten. Plötzlich bildete ich bei Schwimmwettkämpfen das große Schlußlicht. Meinen Trainern ging auf, daß es ihnen nie gelingen würde, aus mir eine große Leistungssportlerin zu machen und legten mir nahe, doch mit dem Schwimmen aufzuhören. Das tat ich dann auch, denn ich hatte keine Lust mehr, von den Trainern unbeachtet im Wasser vor mich hinzuplanschen, während die anderen Kinder intensiv trainiert wurden.

In dieser Zeit nahm auch meine Infektanfälligkeit immer mehr zu, und zur chronischen Bronchitis gesellten sich Mandel- und Mittelohr- sowie Nasennebenhöhlenentzündungen. Bei allen Krankheiten versprachen sich die Ärzte von Antibiotika den größtmöglichen Heilungserfolg. Jedesmal gingen diese Behandlungen mit Durchfall und Fieber einher, und ich fühlte mich ständig kraftlos.

Aber auch wenn ich gerade einmal keine Antibiotika einnahm, war ich immer unheimlich müde. Der Heißhunger nach Süßem wuchs ständig. Mittlerweile durchsuchte ich schon fast täglich den Küchenschrank nach Traubenzucker und Rosinen, die meine Mutter eigentlich nur zum Backen verwendete, da es diese Backzutat so selten zu kaufen gab.

Da sich mein Gesundheitszustand immer mehr verschlechterte, fuhr ich wieder zur Kur. Meine Eltern erleichterten mir die sechswöchige Abwesenheit von zu Hause, in dem sie mich regelmäßig mit Päckchen beglückten, die unter anderem auch Süßigkeiten beinhalteten. So konnte ich auch im Sanatorium meinen Heißhunger nach Naschereien stillen. Immer während der Mittagsruhe bediente ich mich aus meiner Nachttischschublade, in der sich die Leckereien befanden und genoß die Süßigkeiten in vollen Zügen.

Nach dieser Kur blieb die Bronchitis zwar für ein Jahr lang aus, der Heißhunger nach Süßem nahm jedoch immer eigenartigere Formen an. Mittlerweile war ich schon längst nicht mehr fähig, mir ein Depot mit Süßigkeiten zu halten, da ich die Naschereien, sobald ich sie bekommen habe, immer gleich an Ort und Stelle aufaß. Weil meine Mutter die Rosinen mittlerweile vor mir versteckt hatte, kochte ich mir täglich Pudding, den ich immer gleich warm verzehrte.

Dazu mixte ich mir noch Milchmischgetränke, die ich mit Traubenzucker süßte, und konsumierte die von meinem Vater selbstgemachte Nußnougatcreme gleich löffelweise aus dem Glas. Nachdem meine Mutter in einer Zeitung gelesen hatte, daß zwei Liter Milch am Tag für ein Schulkind ungesund seien, durfte ich täglich nur noch einen halben Liter trinken.

Aber ich wußte mir Abhilfe zu verschaffen. Da meine Großeltern nur wenige Häuser von unserer Wohnung entfernt lebten, kochte ich mir nach der von meiner Mutter verordneten Milchrationierung dort meine Süßspeisen. Zu Hause bediente ich mich anschließend noch aus dem Marmeladenglas.

Gelang es mir jedoch nicht, sofort an Süßigkeiten heranzukommen, wie dies zum Beispiel bei Ausflügen der Fall war, fühlte ich mich ganz aufgekratzt und flatterig. Hinzu kam ein permanenter Durst nach süßer Limonade. Nachdem meiner Mutter aufgefallen ist, daß ich statt süßer Milch nun literweise Zitronenbrause trank, vermutete sie Diabetes und ging sofort mit mir zum Arzt.

Dieser stellte fest, daß die Symptome auf die Diabetes schließen lassen und leitete die entsprechenden Untersuchungen ein. Ihn verwunderte jedoch auch, daß die Laborergebnisse seine Vermutung nicht bestätigten. Gleichzeitig merkte er an, daß in der Wachstumsphase fast alle Heranwachsenden solche Eßattacken bekämen.

Mit vierzehn Jahren ging ich auf ein Internat in eine andere Stadt und hoffte, daß es dort abwechslungsreiches Essen gäbe. Darunter verstand ich, daß zum Beispiel auch süße Desserts und Eierkuchen die Mahlzeiten bereicherten.

Es stellte sich heraus, daß diese Vorstellungen reichlich naiv gewesen sind. Abends gab es helles Brot und diverse Wurstsorten, darunter auch Leberwurst. Einmal in der Woche verzierte auch Käse das kalte "Buffet". Da der Ansturm auf die heißbegehrten Häppchen ziemlich groß war, mußte man sehr flott sein und ziemlich gut rennen können, um noch ein Stückchen Käse abzubekommen.

Das Frühstück unterschied sich vom Abendessen nur darin, daß uns zusätzlich noch Marmelade gereicht wurde. Da mein Vater einen großen Garten hegte und pflegte, wurde ich von zu Hause aus mit reichlich Obst und Gemüse bestückt. So war wenigstens eine ausreichende Vitaminzufuhr gewährleistet.

Mein Hunger nach Süßem wurde natürlich nicht nur durch Obst gestillt. Ich naschte fleißig weiter. Da meine Mitschülerinnen vom Internatsessen ebensowenig angetan waren wie ich, saßen wir oft gemütlich in unserem kleinen Vier-Bett-Zimmer zusammen und verzehrten gemeinsam unsere süßen Vorräte.

Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich jedoch ständig. Nicht nur, daß die Ärzte mindestens viermal jährlich eine Bronchitis diagnostizierten und ich mich ständig müde und schlapp fühlte, auch bei den geringsten körperlichen Anstrengungen hatte ich Atembeschwerden und japste nach Luft. Mit fünfzehn Jahren schickten mich die Ärzte wieder zur Kur.

Da Jugendliche zwischen vierzehn und achtzehn Jahren in der ehemaligen DDR nicht mit Heilkuren bedacht worden sind, konnte ich mir aussuchen, ob ich eine Heilkur für Kinder oder für Erwachsene mitmachen wollte. Ich entschied mich für letzteres, denn nach den zweistündigen Mittagsruhen und den gemeinsamen Gruppenspaziergängen einer Kinder-Heilkur stand mir nicht der Sinn.

Die Kur begann mit einer gründlichen Eingangsuntersuchung, bei der die Ärztin besorgt feststellte, daß "es mit meiner Gesundheit nicht gerade großartig aussehe". Sie verordnete mir eine Reihe von Behandlungen und Aminophyllin-Tabletten, die ich von nun an täglich einnehmen mußte.

Während der Kur ging es mir, von meinem dicken und schmerzenden Blähbauch abgesehen, glänzend. Durch das Medikament sind meine Atembeschwerden behoben worden, und ich kam problemlos wieder alle Treppen hinauf.

Das Essen, das es bei der Kur gab, hob sich in überdurchschnittlichem Maße von meinem gewohnten Internatsessen ab. Besonders schätzte ich es, daß bei sämtlichen Mahlzeiten irgendwelche Leckereien das Buffet bereicherten.

Morgens gab es beispielsweise süßen Quark mit Früchten, den ich in Unmengen verzehrte. Um auch meinem spätabends einkehrenden Appetit nach Süßem nachgeben zu können, deckte ich mich im Lebensmittelladen mit Knuspereien ein.

Zusätzlich gab ich mein Taschengeld zum großen Teil in der örtlichen Eisdiele aus, in der hervorragendes Softeis hergestellt wurde. Nach zirka acht bis neun Behandlungen, die außer sonntags täglich auf dem Programm standen, genoß ich es so richtig, in Ruhe ein großes Eis zu schlecken.

Am Ende der Kur mußte ich mich nochmals einer Abschlußuntersuchung unterziehen. Ich hoffte, daß ich von nun an nicht mehr diese Aminophyllin-Tabletten einnehmen mußte, da mir die tägliche Einnahme als lästig erschien, doch die Ärztin hielt die tägliche Medikamentengabe für unabdinglich. Die Kur ist für mich zwar recht kurzweilig und unterhaltsam gewesen, der Kurerfolg hielt jedoch nicht lange an.

Schon einen Monat nach Kurende hatte ich wieder eine Bronchitis, und bald danach folgte der erste richtige Asthma-Anfall. Die Lungenärztin, die ich zu Hause aufsuchte, verschrieb mir nun Theophyllin und ein kortisonhaltiges Spray, das ich täglich prophylaktisch einnehmen sollte.

Durch die Medikamente ließen sich zwar die Atembeschwerden etwas lindern, insgesamt fühlte ich mich jedoch stets matt und müde. Da mein gesundheitliches Wohlbefinden immer mehr gegen null strebte und die Lungenärztin zu einem Luftwechsel riet, verließ ich das Internat und besuchte eine Schule in der Sächsischen Schweiz.

Schon kurz nach Schulbeginn erkrankte ich wieder an Bronchitis, und die Asthmaanfälle häuften sich. Bei meinem dortigen Arzt erhielt ich täglich eine Spritze mit Kortison und eine mit Theophyllin beziehungsweise Aminophyllin. Gegen die nächtlichen Hustenattacken verordnete er mir Codein-Tabletten. Damit ich über das Wochenende nach Hause fahren konnte, stattete er mich mit einer Packung Kortisontabletten aus.

Zu dieser Zeit fühlte ich mich täglich wie in Trance. Ich hatte das Gefühl, daß alles nur an mir vorbeirauscht, und mir war ehrlich gesagt alles so richtig egal. Den größten Teil des Tages verschlief ich, und Appetit hatte ich nur auf Süßes.

Mittlerweile taten mir die Fersen so weh, daß ich nur noch mit Schmerzen auftreten konnte. Auch die anderen Gelenke, besonders die Fingergelenke, schmerzten sehr. Mein Arzt meinte, daß dies vom Kortison käme, weil dieses Präparat den Knochen Kalzium entzöge.

Glücklicherweise kam im Herbst die politische Wende. Da die Luftverhältnisse im anderen Teil Deutschlands wesentlich besser sein sollten, brach ich meine mittlerweile begonnene Lehre ab und zog im Frühjahr 1990 an die Nordsee. Innerhalb weniger Monate ließen meine Atembeschwerden deutlich nach. Die prophylaktische Einnahme eines kortisonhaltigen Sprays hielt mein neuer Arzt jedoch weiterhin für erforderlich.

Jetzt hatte ich zwar mit dem Asthma keine großen Probleme mehr, das Rumoren in meinem Bauch nahm jedoch kein Ende. Hinzu kamen permanente Blasenentzündungen. Als ich meinem Arzt meine Beschwerden vorgetragen hatte, und er nach dem Abtasten des Bauches nichts weiter feststellte, deutete er an, daß dies psychisch bedingt sei. Der Blähbauch blieb, und auch die Blasenentzündungen gingen nicht weg. Ich schlußfolgerte, daß es besser sei, wegen solcher Lappalien besser keinen Arzt zu konsultieren und ertrug geduldig meine Beschwerden.

Beste Ablenkung verschaffte ich mir, indem ich das Angebot an Sahnejoghurts und Süßigkeiten des westlichen Teils Deutschlands durchtestete. Von den neuen Leckereien vollauf begeistert, stopfte ich sie nun von früh bis spät in mich hinein. Selbst abends um elf konnte ich nicht vor dem Kühlschrank halt machen. Meine Eß-Eskapaden schlugen sich natürlich auch auf der Waage nieder. Innerhalb von drei Monaten habe ich zwölf Kilo zugenommen.

Etwas angst wurde mir vor der anstehenden Lehre. Wie sollte ich tagsüber zu meinen Süßigkeiten kommen, fragte ich mich unentwegt. Aber ich sagte mir dann "where is a will, there is a way". Auf der Arbeit stellte ich beruhigt fest, daß es außer mir noch andere Naschkatzen gab, denn das Döschen mit Süßigkeiten hatte am Kundenschalter schon seinen etablierten Platz. Mir war es natürlich peinlich, als mich immer wieder die gleichen Kunden Schokolade essend ertappten. Aber ich konnte mich mit ihnen schnell wieder versöhnen, indem ich ihnen eine Leckerei aus unserer Dose anbot.

Manchmal konnte ich meinem Appetit auf Süßes nicht einmal mehr am Schalter nachkommen. Dann verzog ich mich diskret in den Pausenraum zurück und naschte dort. In der Mittagspause ließ ich mir weitere süße Sachen munden. Gleichzeitig überkam mich jedoch jeden Mittag eine unheimliche Müdigkeit. Die nachmittäglichen Stunden am Schalter wurden manchmal zur Qual. Obwohl ich abends zeitig zu Bett ging, fühlte ich mich nie so richtig ausgeschlafen.

Gleich nach Abschluß meiner Lehre habe ich ein Studium aufgenommen. Zu Studienbeginn dachte ich, daß sich meine Heißhungerattacken nicht mehr steigern ließen, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Die von zu Hause als Tagesration mitgebrachten Süßigkeiten ließ ich mir schon kurz nach Eintreffen an der Universität schmecken. Die letzte Viertelstunde jeder Vorlesung brachte ich grübelnd zwischen meinen interessiert zuhörenden Kommilitonen zu und überlegte angestrengt, welche Leckerei ich mir wohl in der kommenden Pause gönnen würde.

War die Pause dann endlich gekommen, eilte ich im Sauseschritt zur Bäckerei oder zu den Lebensmittelläden, um mich mit großen Rumkugeln, Eis und vor allem mit diversen Riegeln einzudecken. Im zweiten Semester nahmen meine Hungerattacken immer seltsamere Formen an, so daß ich mich teilweise sogar aus dem Hörsaal schlich, um mir schnell Süßigkeiten kaufen zu können. Meine Aufnahmefähigkeit sank hingegen rapide ab. Schon morgens in der ersten Vorlesungsstunde tangierte mich der vom Dozenten dargebotene Lehrstoff teilweise nicht im geringsten.

Ich dachte mir so manches Mal, daß es effektiver gewesen wäre, wenn ich zu Hause im Bett geblieben wäre. Die Zeit, in der ich mich auf die Klausuren vorbereiten mußte, empfand ich als besonders anstrengend, da ich mir den entgangenen Vorlesungsstoff selbst erarbeiten mußte. Da sich nunmehr mein stark überhöhter Schokoladen- und Bonbonkonsum nicht auf mein Gewicht auswirkten, griff ich weiterhin kräftig in die Naschdose. Die Bauchschmerzen, die mich unentwegt heimsuchten, ignorierte ich, da die ja nur psychisch bedingt sein sollten und meine mich immer stärker verfolgende Müdigkeit schrieb ich dem Klausurenstreß zu. "Was bringt es dir, wehleidig zu sein?", dachte ich mir immer.

Auch die immer stärker werdenden Gelenkschmerzen nahm ich so hin. Ich wäre damals nie darauf gekommen, daß Pilze die Übeltäter sein könnten. Zufällig besuchte ich eine Freundin, die gerade dabei war, eine Anti-Pilz-Diät durchzuführen. Durch sie erfuhr ich zum ersten Mal, daß sich Pilze im Darm überhaupt ausbreiten können. Obwohl bei mir ähnliche Symptome wie bei meiner Freundin aufgetreten sind, traute ich mich nicht, zum Arzt zu gehen. Inzwischen hatte ich zwar einen anderen Mediziner aufgesucht, aber mir war es trotzdem peinlich, mit "schwammigen" Symptomen, wie mit undefinierbaren Bauchschmerzen, Blähbauch und Gelenkschmerzen überhaupt einen Arzt zu belästigen. Zu groß war meine Angst, wieder als Hypochonderin hingestellt zu werden.

Eines schönes Tages beschloß ich aus heiterem Himmel, doch einmal im Kleid zur Universität zu gehen. An diesem Tag beobachtete ich immer wieder, daß mich verschiedene Leute eigenartig anschauten, manche geradezu anstarrten.

Zunächst dachte ich, daß ich wohl durch mein heute etwas anders geartetes Outfit die Aufmerksamkeit meiner Kommilitonen auf mich zog, weil ich sonst nur weite Pullover oder lässige T-Shirts zu tragen pflegte. Etwas verwundert nahm ich auch die Frage einer Mitstudentin nach meinem gesundheitlichen Wohlbefinden auf. Ein wenig blaß vom Streß waren wir in der Zeit vor den Klausuren doch fast alle.

Nachdem sich auch noch zwei andere Komillitonen diskret erkundigten, ob ich mich derzeit bester Gesundheit erfreute, wurde ich stutzig und fragte nach dem Grund für so eine Frage. "Nur so", bekam ich stets als Antwort zu hören.

Den ganzen Tag dachte ich darüber nach, was mich denn heute so exotisch wirken läßt. Erst ein guter Freund verriet mir abends des Rätsels Lösung, indem er mich mit den Worten "Sag mal, bist du schwanger?" empfing. Also ließ mein Blähbauch sogar Spekulationen über eine eventuelle Schwangerschaft zu. Das Kleid verbannte ich sofort in die hinterste Ecke meines Kleiderschrankes, und ich zog sofort wieder meine heißgeliebten weiten Pullis an.

Selbst nach diesem Ereignis konnte ich mich immer noch nicht so recht entschließen, mich auf Pilze untersuchen zu lassen. Doch irgendwann schmerzte mein Blähbauch so sehr, daß ich es kaum mehr aushielt. Und um zu umgehen, daß demnächst handgehäkelte Babygarnituren bei mir eintreffen, wenn mein Blähbauch weiterhin in solchem Maße an Umfang zunehmen würde, suchte ich dann doch meinen Arzt auf.

Ich war völlig überrascht, als er meine Beschwerden ernst nahm und eine Untersuchung meiner Stuhlprobe anwies. Mich verwunderte es auch nicht sehr, als er mir eine Woche später verkündete, daß ich Pilze im Darm hätte.

Er verschrieb mir Nystatin und schob mir freundlich lächelnd ein Zettelchen über den Tisch, dem ich eine Diätempfehlung entnehmen konnte. Entgeistert starrte ich darauf - meine heißgeliebten Naschereien standen alle auf der Liste der nicht empfehlenswerten Lebensmittel. Mein Arzt, dem meine Vorliebe für süße Leckereien bereits bekannt war, meinte noch, daß ich auf diese Art und Weise endlich mal dazu käme, etwas Vollwertiges zu essen. Voller Wut im Bauch ging ich aus dem Behandlungszimmer. Wie sollte ich mindestens drei Wochen lang ohne Süßigkeiten durchhalten, fragte ich mich unentwegt.

Andererseits war mir klar, daß ich konsequent sein mußte, um meine unliebsamen Darmbewohner loszuwerden. Zu Hause angekommen, ging ich zuerst mit einer Rolle Klebeband zu meiner mit Süßigkeiten gefüllten Schublade und versiegelte diese, um nicht in Versuchung zu geraten.

Da mein Wissen über Pilze zu dieser Zeit noch extrem dünn war, kaufte ich mir den Patientenratgeber "Pilze im Körper- Krank ohne Grund?", den ich gleich an einem Abend durchschmökerte. Dieses Buch gab mir Antworten auf viele offenstehende Fragen. So konnte ich mich auch am nächsten Tag gleich mit diätgerechten Nahrungsmitteln eindecken.

In der ersten Woche meiner Anti-Pilz-Behandlung war ich in hohem Maße gereizt und aufgekratzt. Freunde boten spöttelnd an, mir Literatur über hyperaktive Kinder, die sich teilweise ja problemlos auch auf Erwachsene übertragen ließe, zu kaufen, was ich dankend ablehnte. Ich lief jedoch nicht nur quirlig und aufgedreht durch die Gegend, auch meine Atembeschwerden verschlimmerten sich. Nach sieben Tagen Anti-Pilz-Behandlung bekam ich an einem Wochenende plötzlich wieder Hustenattacken.

Während des ganzen Wochenendes hustete ich permanent eitriges Sekret ab und hatte unentwegt das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ständig überlegte ich, was ich mir mit dieser Anti-Pilz-Behandlung wohl aufgeladen hätte, entnahm jedoch dann dem grünen Patientenratgeber, daß sich die Beschwerden zu Beginn der Behandlung zunächst durchaus verschlimmern könnten.

An diesem Wochenende tröstete mich diese Erkenntnis herzlich wenig, zumal ich eine mir sehr wichtige Verabredung platzen lassen mußte. Da sich diese beiden Tage nicht aus dem Kalender streichen ließen, hoffte ich geduldig auf Besserung. Diese stellte sich bald ein. Schon am nächsten Tag konnte ich wieder ohne Beschwerden frei atmen. Seitdem habe ich auch nicht mehr die geringsten Probleme mit Asthmaanfällen. Die Bauch- und Gelenkschmerzen begleiteten mich während der Anti-Pilz-Behandlung noch länger, aber immerhin mußte ich nun nicht mehr nach Luft japsen.

Meine Ernährung stellte ich durch die Diät auch grundsätzlich um und lebte nun gesund wie nie zuvor, indem ich mir fast jeden Abend bunte Salate zubereitete. Eine großartige Köchin ist zwar in dieser Zeit nicht aus mir geworden, denn bei mir gab es fast allabendlich Kartoffeln und Quark, aber immerhin aß ich jetzt keine Süßigkeiten mehr.

Mit Spannung erwartete ich nach dreiwöchiger Behandlung meinen Untersuchungsbefund und hoffte, nun endlich meine zuckerfreie Zeit überstanden zu haben, aber mein Arzt stellte fest, "daß wir bei unserer Anti-Pilz-Behandlung wohl noch ein bißchen durchhalten müssen" und verabschiedete mich mit einem Nystatin-Rezept.
Begossen wie ein kleiner Pudel verließ ich die Praxis und überlegte, wie ich die nächsten vier Behandlungswochen durchstehen sollte. Zwar ernährte ich mich jetzt gesünder, aber der Heißhunger auf Süßes blieb. Eisern ging ich an jeder Eisdiele und jedem mit Süßigkeiten gefüllten Regal vorbei.
Meine Kommilitonen sahen mich nur noch möhrchen- und kohlrabi-knabbernd in der Hochschule. Obwohl ich vor der Anti-Pilz-Behandlung auch nicht dick gewesen bin, purzelten bei meiner unfreiwillig veranstalteten Diät nun kräftig die Pfunde, und ich fühlte mich immer noch etwas schlapp.

Je länger ich jedoch Nystatin einnahm und die Diät durchhielt, umso besser fühlte ich mich gesundheitlich. Die Bauchschmerzen ließen genauso nach wie die Blähungen, und auch die Gelenkschmerzen verschwanden. Wie froh war ich, als mein Arzt mir dann verkündete, daß sich in meinem Darm keine Pilze mehr tummelten.

In der ersten Woche nach der Anti-Pilz-Behandlung hielt ich mich noch streng an die Diät. Schließlich wollte ich nicht gleich wieder unfreiwillig abspecken. Aber schon in der zweiten Woche gönnte ich mir hin und wieder Obst und Naschereien, weil ich das Gefühl hatte, mir das nach so langer Enthaltsamkeit auch verdient zu haben. Kurz darauf stellten sich wieder meine altbekannten Beschwerden, wie der Blähbauch, die Gelenkschmerzen und die permanente Müdigkeit ein. Dieses Mal wartete ich jedoch nicht monatelang, ehe ich zum Arzt ging, sondern suchte ihn sofort auf.

Dieser diagnostizierte auch wieder Pilze im Darm. Mit einem Rezept für Nystatin und der Erkenntnis, daß es sich doch lohnt, nach einer abgeschlossenen Anti-Pilz-Behandlung eine Zeitlang auf Süßes zu verzichten, verließ ich die Praxis. Aber auch diese Behandlung habe ich, im übrigen ohne ein einziges Mal zu naschen, durchgestanden. Obwohl ich die Anti-Pilz-Diät sehr oft verflucht habe, ist es mir durch deren Einhaltung gelungen, mich vollwertig zu ernähren und so gesünder zu leben.

Ruhe habe ich vor den kleinen Quälgeistern bis heute noch nicht gefunden. Gelegentlich besuchen sie mich immer wieder. Mir ist jedoch das Gefühl wichtig, zu wissen, was mit mir los ist und daß ich etwas gegen die kleinen Störenfriede tun kann. Denn mit einer konsequenten Diät und der Einnahme von Nystatin kann ich meinen unbeliebten Darmbewohnern sehr wohl den Kampf ansagen. Wenn es sein muß, eben auch häufiger.




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